Beerdigung von Claus Peymann: „Du warst ein Verrückter, auf der Ebene trafen wir uns“

In Wien brannten Fackeln für ihn, und dann haben sie ihn einmal um die Burg gefahren, am Montag, auf den Straßen standen die Menschen in der Sonne und klatschten. Claus Peymann war dafür extra noch einmal nach Wien aufgebrochen, wenn man das so sagen darf. Zwei Monate nach seinem Tod in Berlin. Peymann und seine Hinterbliebenen hatten so lange warten müssen, weil das Burgtheater in Wien seine großen Helden zwar mit einer Trauerfeier im Haus ehrt und zum Abschied das Theater umrunden lässt, seit 100 Jahren, heißt es. Aber nur in der Spielzeit, nicht in den Theaterferien.
In Berlin nieselt es am Freitag leicht, ein Mann spielt Akkordeon, die Trauergäste stehen still in einem Halbkreis vor der Kapelle des Dorotheenstädtischen Friedhofs. Es ist grau und kalt. Claus Peymann ist wieder da und wird nun für immer in Berlin bleiben. Man fragt sich, wie er diese letzte Reise gefunden hätte, ob er sie geahnt hat, wie der Satz vermuten lässt, mit dem er in Nachrufen zitiert wird: Er träume davon, sein Herz in Wien zu lassen und seinen Körper auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof.
Beerdigung von Claus Peymann: „Hatte er nicht Pläne für die Ewigkeit?“Der Andrang ist groß, aber nicht so groß, wie man es ihm auch in Berlin gewünscht hätte. Einem der ganz großen Männer des deutschen Theaters. Er hat ja nicht nur 13 Jahre lang das Burgtheater in Wien geleitet, sondern auch 18 Jahre lang das Berliner Ensemble! Peymanns Familie ist da, die Berliner Kultursenatorin Sarah Wedl-Wilson, der Regisseur Frank Castorf, der Autor Moritz Rinke, viele, die am Berliner Ensemble gearbeitet haben, der derzeitige Intendant Oliver Reese. Der 1. FC Union hat einen Kranz neben den Sarg gelegt, gleich neben den vom BE. Peymann hat in Köpenick gewohnt und kam gern ins Stadion.

Es sprechen Weggefährten. Der Schauspieler Sabin Tambrea steht mit einer Geige neben dem schlichten, schwarzen Sarg und erzählt, dass Peymann wusste, wie sehr er es hasst, vor Menschen zu spielen, wie er vor sechs Jahren im Allgemeinen Krankenhaus Wien auf der Intensivstation für Peymann spielte und danach noch auf sechs Geburtstagen von Peymann. „Ich weigere mich, zu diesem Anlass zu spielen“, sagt er, und spielt natürlich doch. Der Schauspieler Christopher Nell singt dazu, „Wien, Wien nur du allein“ von Peter Alexander.
Der österreichische Dramaturg und Regisseur Hermann Beil erinnert Berlin daran, dass Peymann dem Berliner Ensemble wieder zu weltweitem Ruhm verholfen hat; er fragt: „Hatte er nicht Pläne bis in die Ewigkeit?“ und zitiert Peymann mit dem Satz: „Es lebe die Poesie in diesen finsteren Zeiten.“ Die Schauspielerin Traute Hoess liest einen Brief vor, den Peymann ihr im Januar 2021 schickte, im ersten „dunklen Winter“ der Pandemie. „Der eigentliche Theaterzauber lässt sich nicht streamen“, schrieb Peymann ihr da und sehnte sich nach der Rückkehr von Wucht und Radikalität des unmittelbaren Erlebnisses.

Achim Freyer, Regisseur, Bühnen-, Kostüm- und Maskenkünstler, mit weißem Schal und weißem, zerzaustem Haar, sagt, Peymann, Beil und er hätten sich immer die Treue gehalten. Und nun sei der eine vor den anderen gegangen, „noch immer umstritten, noch immer jung“. Freyer ist 91 Jahre alt, Beil ist 84, Peymann war gerade 88 geworden, als er starb.
Leander Haußmann über Peymann: „Was haben wir uns angebrüllt!“Leander Haußmann seufzt, bevor er zum Reden ansetzen kann, und ist wieder in Wien, bei der Sonne und den schönen Reden auf Peymann am Montag. Er liest einen Brief, den er seinem toten Freund geschrieben hat. „Du warst ein Verrückter, auf der Ebene trafen wir uns“, liest Haußmann, „Was haben wir uns angebrüllt!“ Viele unter den Trauergästen könnten Peymann nachmachen, an der Farbe von dessen Kopf habe man seine Stimmung ablesen können. Haußmann verrate jetzt aber keine Namen. Er sagt das Schönste, was man vielleicht über einen Freund sagen kann, vor allem über einen, mit dem man sich angebrüllt hat: „Du warst ohne Arg, niemals hinterhältig, nicht nachtragend, immer auch im Zweifel mit dir selbst.“ Dann holt er eine Mundharmonika hervor und spielt „Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus“.

„Was ist das, was du da siehst, was dich so aufrührt?“, fragt Christopher Nell, der als letzter spricht. Er ist auch der dritte Redner, der über das Du spricht, dass Peymann ihm irgendwann angeboten habe, es muss eine Sensation für jeden Freund gewesen sein.
„Der Schirm da, der ist total falsch! Und das Kostüm vom Nell! Der Mantel ist viel zu kurz oder viel zu lang!“, ruft Nell und spielt Peymann. Einmal habe er sich während einer Probe in den Zuschauerraum geschlichen, sagt Nell, um Peymann zu beobachten, wie der die Probe beobachtet. Er habe da einen Mann gesehen, der sich über Dinge erschrocken hat, die er sich selbst ausgedacht hat, der sich verliebt hat. Den großen Theatermann, der ein Junge aus Bremen geblieben ist.
Auch Nell singt noch ein Lied, dann tragen sechs Männer den Sarg zu einem Grab ganz in der Nähe der Kapelle und lassen ihn hinab. Man kann Sand hinterherwerfen. Oder Konfetti. Die meisten werfen Konfetti. Der Berliner Wind trägt es über der Grube davon.
Berliner-zeitung